So schwerelos kann Kunst sein: Tim Roßberg zeigt seine Projektionen in der Stadtgalerie
Osnabrück. Nur mit Licht malen, Plastiken ohne
Körper schaffen – das ist das künstlerische Projekt von Tim Roßberg. Der
gebürtige Osnabrücker stellt unter dem Titel „Lightroom“ in der
Stadtgalerie aus.
Von Dr. Stefan Lüddemann
„Lightroom“ hieß auch das Projekt, mit dem der 25 Jahre alte Kunststudent 2012 den Piepenbrock-Kunstförderpreis gewonnen hatte. Tim Roßberg zauberte aus projizierten Lichteffekten komponierte Raumwirkungen auf
senkrecht in den Raum gehängte Textilbahnen. Roßberg ließ dafür einen
Würfel durch die Dunkelheit tanzen, Gitter aufscheinen oder
Streifenmuster an den Textilbahnen auf- und niedersteigen. Mit
„Lightroom“ integrierte der Nachwuchskünstler Projektion,
Raumkomposition, Objektkunst und in Anklängen sogar architekturale Ideen
in einer einzigen künstlerischen Arbeit. Komplex gedacht, elegant
umgesetzt – so ist „Lightroom“ jetzt als Video in der Stadtgalerie zu
erleben.
Nach Pia Klüver 2011
präsentiert der Ausstellungsraum zum zweiten Mal einen
Piepenbrock-Förderpreisträger. Roßberg hat sein Lichtkunstprojekt für
die neue Ausstellung ergänzt und variiert. Die geometrischen Muster
werden jetzt auf Textilbanner geworfen, die in drei Meter Höhe über den
Café-Tischen aufgehängt sind. Besonderer Clou für den Abend der
Eröffnung: Der Künstler wirft eine Projektion auch auf die Fassade der
Stadtgalerie. Da im Prinzip jede Fläche als Bildträger fungieren kann,
sind den Möglichkeiten hier keine Grenzen gesetzt. Roßberg erzielt seine
Bildwirkungen mit dem immateriellen Licht. Er erreicht körperhafte
Wirkungen, ohne auf die Präsenz realer Körper angewiesen zu sein. Das
macht die Faszinationskraft seiner Arbeiten ganz wesentlich aus.
Dass hingegen dafür nicht jeder Kontext taugt, macht die Präsentation
im hinteren Raum des Stadtgaleriecafés deutlich. Roßberg hat hier einen
mit senkrechten und diagonalen Schnitten versehenen Holzkörper
aufgehängt, in den eine Lichtschiene montiert ist. Der Lichtschein wirft
nun kunstvoll aufgerasterte Schatten in den Raum. Leider ist dieser
Raum gerade nicht der klinisch kühle Kubus, den die Arbeiten Roßbergs
fordern. Das reine Licht fällt nun auf raue Wandflächen,
Raumausbuchtungen und Heizkörper. Das zerstört jeden Effekt.
Und dennoch:
Die Defizite eines Präsentationsortes schmälern nicht die Qualität
dieser Position, für die sich der Kunststudent mutig direkt auf
Traditionen des Konstruktivismus bezieht. Die Traditionslinie seiner
Anregungen zieht er mutig bis zu Kasimir Malewitsch’ berühmten Quadraten
durch. Dass dieser Zeitstrahl auch die Experimente mit Lichtkunst von László Moholy-Nagy am Bauhaus streift, verwundert kein bisschen. Ebenso wenig übrigens wie der Bezug zu Friedrich Vordemberge-Gildewart . Pünktlich zum 50. Todestag des Osnabrücker Konstruktivisten erweist Roßberg seinem berühmten Vorbild ungeteilte Reverenz. „Da sehe ich große Parallelen“, sagt Roßberg.
Wie Vordemberge-Gildewart zieht es auch den Kunstpreisträger weg von
Osnabrück. Nach seinem Bachelor-Abschluss will Roßberg nun an einer
Kunsthochschule weitermachen, die Multimedia-Kunst „im größeren Kontext“
bietet. Köln oder Berlin – das sind die Wunschadressen. So gilt die
Stadtgalerie-Präsentation auch als Bewerbungsprojekt. Na denn, viel
Erfolg.
Osnabrück, Stadtgalerie: Tim Roßberg: lightroom. Videoinstallation
und Fotografie. Eröffnung: Freitag, 8. Februar, 18 Uhr. Bis 31. März.
Di.–So., 9–18.30 Uhr. www.osnabrueck.de/kunsthalle/stadtgalerie
Quelle: http://www.noz.de/lokales/69404957/so-schwerelos-kann-kunst-sein-tim-roberg-zeigt-seine-projektionen-in-der-stadtgalerie